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Hansestadt Salzwedel - Die Baumkuchenstadt
Informationen
veröffentlicht am: 13.01.2021

Nachruf - Helga Weyhe

Deutschlands älteste Buchhändlerin und Ehrenbürgerin seit 2012, Helga Weyhe, verstarb Anfang Januar 2021. DIe Hansestadt Salzwedel gedenkt einer besonderen Persönlichkeit mit einem Nachruf.

Helga Weyhe, hier beim Eintrag ins Goldene Buch der Hansestadt am 11.12.2012

Nachruf
Helga Weyhe (1922 - 2021)

Für Salzwedeler waren die Zitate am Schaufenster des Bücherladens an der Altperverstraße eine Quelle der Inspiration und der Erheiterung. Hintersinnig, mit viel Gespür für die aktuelle Lage ausgesucht, wurden die Sätze unterschiedlichster Autoren von Helga Weyhe persönlich Woche für Woche neu angebracht. Die am 11.12.1922 über eben diesem Büchergeschäft geborene Weyhe liebte und lebte ihren Beruf. Sie hatte ein Gespür für die lesenswerten Bücher, die passenden Gedichtbände und auch die Trends. Dabei sparte sie nicht mit Kritik, wenn sie angebracht war. Das verband sie mit jenem ehrlichen, direkten Witz, der ihr Markenzeichen war.

Dabei hatte es Helga Weyhe nicht immer leicht – die Weltkriegsjahre waren entbehrungsreich. Auch die nachfolgende Zeit in der DDR war von Schwierigkeiten geprägt. Private, inhabergeführte Buchhandlungen waren nicht gern gesehen. Doch die Enteignung in den 1950er Jahren konnte ihr Vater Walter verhindern. Viele Einwohner können sich gut daran erinnern, wie sie als Kinder ihre Schulbücher bei Buchhandlung Weyhe abgeholt haben, um dann als Erwachsene die Bestellungen für ihre Kinder aufzugeben.

Helga Weyhe konzentrierte sich in der DDR-Zeit auf die Fachliteratur. In den Regalen, die großteils seit 1880 Bücher trugen, sammelte sich dann nach 1990 ein vielfältiges Programm. Dabei war die Buchhändlerin erfrischend direkt: „Wird so viel Quatsch gedruckt“, sagte sie einmal. Jedes Buch, das in ihrem Laden stand, wurde von ihr mindestens quergelesen. Ein Buch, an dem ihr Herz hing, war von Erika Mann. „Stoffel fliegt übers Meer“, die Geschichte eines blinden Passagiers an Bord eines Zeppelins nach New York. Im Alter von zehn Jahren erhielt sie von ihrem Vater eine Erstausgabe. Das Buch lag viele Jahrzehnte am Tresen, direkt neben der Kasse.

Sie selbst wollte immer gerne bei ihrem Onkel in Manhattan arbeiten, dort Bücher verkaufen. Daher auch das Straßenschild „794, Lexington Ave“, welches jeder Kunde im Laden sehen konnte. 1985 konnte sie den Buchladen in New York besuchen.

Helga Weyhe wurde im Dezember 2012 auf Beschluss des Stadtrates zur Ehrenbürgerin der Hansestadt Salzwedel ernannt. Im August 2017 wurde sie mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet. Sie organisierte Lesungen, sehr oft in der Stadt- und Kreisbibliothek, liebte es Kinder- und Jugendbücher zu verkaufen.

Helga Weyhe war eine Institution, eine Frau, die sich gut an Vergangenes erinnerte, an der Gegenwart immer interessiert war und stets optimistisch in die Zukunft schaute. Der Ginkgo-Baum, der ihr zur Ehren nach der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an der Salzwedeler Mönchskirche gepflanzt wurde, erinnerte sie an ihren Lieblingsdichter Goethe. Nun wird dieser langlebige Baum, der im Gedicht Goethes als Sinnbild für Liebe und Freundschaft beschrieben wird, die Salzwedeler an eine besondere Frau erinnern, die Anfang Januar dieses Jahres verstarb. Es ist schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Buchhandlung Weyhe keine Zitate mehr an der Fensterscheibe aushängt. Dass es keine Buchempfehlungen mehr gibt, keine klugen Unterhaltungen zwischen Bücherstapel.

Helga Weyhe wird uns fehlen. Oder, um es mit ihren eigenen Worten zu sagen, mit denen sie Besucher ihres Buchladens verabschiedete: „Schön, dass Sie hier waren.“

 

Sabine Blümel
Bürgermeisterin Hansestadt Salzwedel